Hinter den Kulissen: CÆSAR – next level
300 Jahre nach der Uraufführung in London wurde Georg Friedrich Händels Giulio Cesare in Egitto von dem Ensemble Stella Maris zusammen mit dem Arabic Music Institute Berlin in der Villa Elisabeth neu aufgeführt. CÆSAR – next level lautete der Titel des interdisziplinären Projekts, bei dem Händels ursprüngliche Held*innen in neue musikalische und erzählerische Kontexte gesetzt wurden. Wir haben mit Juliane Schubert, Christine Trinks, Nabil Arbaain und Susanne Barbey über ihr ambitioniertes Projekt gesprochen.
„Die Idee entwickelte sich, als Christine, Gösta, Christian und ich gemeinsam die Händel-Oper Almirafür Kinder bearbeitet haben und dachten, dass sich als nächstes die Figur der Cleopatra wunderbar eignen würde, um sie zu rekontextualisieren“, so Juliane Schubert über den Beginn von CÆSAR –next level. „Wir haben uns überlegt, was wir mit Cleopatra machen können, um sie so darzustellen, dass sich Kinder und auch Erwachsene mit ihr identifizieren können. Innerhalb dieses Denkprozesses sind dann immer mehr Leute hinzugekommen“.
Der eine Teil, der durch die Geigerin Christine Trinks hinzugekommen ist, ist das Ensemble Stella Maris, das bereits Erfahrung mit Familienkonzerten hat. Der andere Teil ist das Arabic Music Institute Berlin rund um den Leiter und Oud-Spieler Nabil Arbaain. „Ich muss sagen, dass ich da am Anfang aus musikalischen Gründen etwas vorsichtig war und ein bisschen auf die Bremse getreten habe“, so Christine Trinks. „Mir war es schon wichtig, dass die Musik so original bleibt wie möglich und der Händel nicht so sehr verändert wird. Wir sind dann innerhalb des Projekts immer weiter aufeinander zugegangen und haben uns dem jeweils anderen geöffnet.“
Damit es überhaupt zu dieser musikalischen Begegnung kommen konnte, mussten die entsprechenden Förderanträge geschrieben werden. Initial für CÆSAR – next level war ein vorausgehendes Neustart Kultur-Stipendium von Juliane Schubert, das erste Recherchearbeiten und, zusammen mit Spenden, eine Trailerproduktion ermöglichte. „Ich habe diese Förderung an alle um mich herum verteilt, um Treffen zu organisieren und das Projekt anzuschieben.“ Danach folgte ein erfolgloser Antrag für die Berliner Projektförderung für Alte Musik. Erst in der nächsten Antragsrunde ist dann Susanne Barbey dazugekommen. „Sie ist einfach sehr gut darin, Texte und Anträge auf den Punkt zu schreiben.“ Susanne Barbey ist u.a. studierte Oboistin und Politikwissenschaftlerin und arbeitet seit 20 Jahren als Lehrerin in Berlin. Sie hat 2022 den Trailer zu KleOPERtra (der die Ausgangsidee zeigt) gesehen und wurde direkt Teil des Projekts: „Ich fand besonders den integrativen Aspekt des Projekts spannend und habe nicht nur interkulturelle, sondern auch viele visuelle und erzählerischen Möglichkeiten gesehen. Als Lehrerin bekommt man oft Angebote für Schulklassen, bei denen es um klassische konservative westeuropäische Konzerte geht, aber da frage ich mich oft, wo da der Bezugspunkt für die Schülerschaft ist. Uns war es wichtig, verschiedene Zugänge zum Stoff anzubieten, um ein heterogenes Publikum ansprechen zu können.“
In dem Alte Musik-Projektantrag ging es erst mal um die handfeste Entwicklung des Projektkerns: „Man muss aus einer Idee erst einmal eine thematische und musikalisch überzeugende Produktion machen, die für sich steht. Alles andere ist die komplett falsche Reihenfolge“, so Susanne Barbey. Erst als dieser Antrag und die damit einhergehende Sicherung der Mittel für die Produktion Mitte April durch war, ging es in die zweite Phase der Projektentwicklung: die Educationdimension des Projekts connect! KleopΔtra & Cæsar. Hier profitierte man davon, dass Susanne Kontakte aus Schulnetzwerken mitbrachte, denn die meisten Stiftungen setzen für Förderanträge ein Bildungsbündnis voraus.
„Für pädagogische Projekte ist es extrem wichtig, dass man eben nicht nur Konzepte vorstellt, sondern verschiedene Institutionen und Träger zusammenbringt, die sagen, das find ich super, da mach ich auf jeden Fall mit!“ so Susanne.
„Die arabische Musik musste sich erstmal in dieses Projekt einfinden“, so Nabil Arbaain. „Ich hatte da auch am Anfang etwas Angst, was mich erwartet, aber ich finde solche interkulturellen und integrativen Projekte unglaublich wichtig. Da sind vielleicht Kinder, die nur die arabischen Lieder und andere, die eher klassische Musik kennen, aber zusammengeführt in einem Konzert haben sie das noch nie gehört und das kann ganz viel Interesse füreinander wecken.“ Am Ende ist die Kernbotschaft einer Begegnung auf Augenhöhe, nicht nur zwischen Cäsar und Cleopatra, wunderbar aufgegangen.
Und was läuft nicht gut in Berlin? Darauf haben Juliane Schubert und Susanne Barbey eine klare Antwort: „Was in der gesamten Arbeit an so einem Projekt eigentlich immer etwas hinten rüber fällt, ist die nichtmusikalische, organisatorische und planerische Seite. Dieser Bereich ist meistens völlig unterbezahlt, aber unglaublich wichtig, denn sonst wäre dieses Projekt nicht möglich. Oft besteht auch die Sorge, ob am Ende auch genügend Publikum kommt. Man ist durchgehend mit der Konzeption, dem Schreiben von Anträgen, den Proben und der Organisation beschäftigt, und am Ende, oder besser schon währenddessen, muss man dann noch schauen, wie der Saal voll wird und Marketing betreiben. Das ist erstens meistens nicht unser Fachgebiet und außerdem schafft man bei der Menge an Arbeit auch einfach nicht alles.“
Lösungen für dieses Problem könnten zum einen mehr Veranstaltungsreihen in Berlin sein, die, erstmal etabliert, auf eingespielte Strukturen und Kommunikationswege zurückgreifen können und eine längerfristige Vorausplanung ermöglichen. „Es gab viele Familien und auch Schulklassen, die erst im Nachhinein von unserem Projekt erfahren haben und auch sehr gern gekommen wären“, berichten Juliane und Susanne. Die zweite Erfahrung betrifft die Förderung selbst: „Man müsste die nichtmusikalischen Leistungen, und da gehört die gesamte Arbeit an den Anträgen dazu, viel stärker mitbedenken und auch bei Fördergeldgebern mehr Bewusstsein für diese Posten schaffen. Innovative Projekte zu konzipieren, sollte kein Hobby sein müssen. Natürlich sind wir jedoch grundsätzlich unglaublich dankbar, dass es diese breitgefächerte Förderlandschaft gibt.”
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Mehr Informationen und ein ‘Making of’ des Educationprojekts findet ihr auf www.kleopertra.de. Auf der Website wird demnächst auch ein Teaser zur Produktion von CÆSAR – next level zu sehen sein.
Eigene Konzertprojekte, Kirchenmuggen, Festivals und Reihen oder Konzerte mit Laienchören – der Konzertalltag in der Alten Musik besteht aus vielen verschiedenen Säulen, die jeweils andere Arbeitsweisen, Schwerpunkte und Herausforderungen für die Ausführenden mit sich bringen. In unserer neuen Rubrik “Hinter den Kulissen” wollen wir in Zukunft gemeinsam mit Musiker*innen und anderen Akteuren der Berliner Alte Musik-Szene über genau diese Aspekte sprechen. Wie läuft die Arbeit im Hintergrund ab? Welche Erfahrungen machen die Akteure in verschiedenen Zusammenhängen? Was funktioniert gut und was könnte besser laufen?
Interview und Text: Simon Ackers